Auch heute noch ist der sogenannte Führerscheintourismus ein großes Thema. Ausgangspunkt ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, nach der alle Führerscheine, die innerhalb der EU ausgestellt wurden, im gesamten EU-Gebiet gültig sein müssen. Wer seine Fahrerlaubnis verloren hat und vor einer Wiedererteilung zur MPU muss, könnte dadurch auf die Idee kommen, den Führerschein im EU-Ausland einfach neu zu machen. Doch ist das überhaupt möglich? Ist ein EU-Führerschein ohne MPU in Deutschland gültig? Wir klären auf!
Ob ein EU-Führerschein dabei hilft, die MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) zu umgehen und schneller wieder in den Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu kommen, lässt sich nicht ohne Weiteres mit einem klaren Ja oder Nein beantworten.
Denn einerseits kannst du im EU-Ausland den Führerschein machen. Damit würdest du dir nicht nur die MPU sparen, sondern könntest auch eine lange Sperrzeit bis zur Fahrerlaubnis-Neuerteilung umgehen. Andererseits müssen aber einige Bedingungen erfüllt sein, damit ein im EU-Ausland erworbener Führerschein auch tatsächlich EU-weit gültig ist.
Grundsätzliches zu Führerscheinen aus dem Ausland
Vor allem in den 2000-er Jahren wurden die Rechtsgrundlagen zum EU-Führerschein mehrfach geändert und verschiedene Gerichtsurteile gefällt. Einige dieser Entscheidungen lösten einen regelrechten Führerscheintourismus aus. Insbesondere in den Grenzregionen zu Polen, Tschechien und anderen Ländern entstand ein großer Markt für den EU-Führerschein ohne MPU. Betroffene gaben viel Geld aus, um sich eine Fahrerlaubnis zu besorgen.
Bevor wir genauer auf die Regelungen zum EU-Führerschein eingehen, werfen wir einen Blick auf die rechtliche Lage zu ausländischen Führerscheinen im Allgemeinen. So gilt grundsätzlich, dass ein Führerscheininhaber, der sich in einem anderen Staat niederlässt, seine Fahrerlaubnis behalten kann. Er muss also den Führerschein nicht neu machen. Aber er muss seine Fahrerlaubnis innerhalb einer bestimmten Frist umschreiben lassen.
In Deutschland beläuft sich diese Frist auf sechs Monate. Und von wenigen Ausnahmen abgesehen, muss der Inhaber eines ausländischen Führerscheins schon während dieser sechsmonatigen Frist eine Übersetzung seiner Fahrerlaubnis mit sich führen. Diese Regelung gilt auch für deutsche Staatsbürger, die im Ausland rechtmäßig eine Fahrerlaubnis erworben haben.
Während die Übersetzung eines ausländischen Führerscheins zum Beispiel ein Automobilclub vornehmen kann, erfolgt die Umschreibung der Fahrerlaubnis bei und durch die Führerscheinbehörde. Vor diesem Hintergrund bringt dir ein ausländischer Führerschein nicht viel. Denn spätestens nach sechs Monaten musst du ihn offiziell umschreiben lassen, was aber ausgeschlossen ist, wenn du in Deutschland gar kein Fahrzeug führen darfst.
Die Regelungen zum EU-Führerschein
Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1991 gab vor, dass EU-Führerscheine innerhalb der EU-Staaten vorbehaltlos anerkannt werden. Ein Führerschein, der in einem EU-Mitgliedsstaat erworben wurde, ist also in jedem anderen EU-Land ebenfalls gültig. Diese Richtlinie machten sich viele Betroffene zunutze, die ihren Führerschein in Deutschland verloren hatten. Andersherum warben etliche Anbieter damit, beim Erwerb eines EU-Führerscheins zu helfen. Der Führerscheintourismus war damit geboren.
Bekräftigt wurde diese Praxis durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2004. Nach einem vorhergehenden Verkehrsdelikt, das den Führerscheinentzug und die Anordnung einer MPU zur Folge hatte, wurde einem deutschen Autofahrer sein ausländischer Führerschein entzogen. Gegen diese Entscheidung wehrte sich der Mann und klagte sich bis vor den EuGH hoch. Der EuGH gab dem Mann recht, allerdings weil es beim Entzug der Fahrerlaubnis Verfahrensmängel gegeben hatte.
Trotzdem erklärten die Richter in ihrer Urteilsbegründung sinngemäß, dass die Rechtsgrundlagen von einem Führerschein, der rechtmäßig im Ausland erworben wurde, auf einen anderen EU-Staat übertragen werden müssen. Folglich sei der Führerschein entsprechend auszutauschen.
In anderen Worten hieß das: Jemand, dem der deutsche Führerschein entzogen wurde und der als unbescholtener Bürger im EU-Ausland eine neue Fahrerlaubnis erwirbt, hat das Recht, dass sein neuer EU-Führerschein in einen deutschen Führerschein umgeschrieben wird. Damit hatte der EuGH unbeabsichtigt ein Schlupfloch für den EU-Führerschein ohne MPU geschaffen.
Neuregelung schloss das Schlupfloch
Doch es sollte nicht lange dauern, bis der EuGH die rechtliche Grauzone erkannte und seine Rechtsprechung korrigierte. In einem Urteil aus dem Jahr 2008 stellte er fest, dass EU-Führerscheine aberkannt werden müssen, wenn das Ausstellerland ein Prüfverfahren einleitet, weil die Fahrerlaubnis möglicherweise rechtswidrig erteilt wurde. Auslöser für ein solches Prüfverfahren kann zum Beispiel sein, dass die deutschen Behörden auf die Sperrfrist nach dem Entzug des deutschen Führerscheins hinweisen.
Hinzu kam die EU-Richtlinie 2006/126/EG, die seit Januar 2009 umgesetzt wird. Sie verpflichtet EU-Länder dazu, die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu verweigern, wenn in einem anderen EU-Land gegen den Antragsteller ein Verfahren wegen eines Verkehrsdelikts anhängig ist.
Weil ein Datenabgleich innerhalb der Behörden problemlos und sekundenschnell möglich ist, kann auch die Richtlinie effektiv umgesetzt werden. Für die Praxis heißt das nichts anderes, als dass ein EU-Führerschein nicht gültig sein kann, wenn die deutschen Behörden die Fahrerlaubnis zuvor entzogen haben.
Gültiger EU-Führerschein ohne MPU trotzdem möglich?
Für viele Menschen ist der Führerschein nicht nur praktisch und nützlich, sondern extrem wichtig. Wer zum Beispiel auf dem Land wohnt, kann oft nur sehr begrenzt auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Auch wer kleine Kinder hat oder zum Einkaufen in die Stadt fahren muss, weiß um die Wichtigkeit, mobil zu sein. Noch problematischer ist der Entzug der Fahrerlaubnis für jemanden, der aus beruflichen Gründen auf den Führerschein angewiesen ist.
Andererseits kann es schnell passieren, dass der Führerschein weg ist. Fahren unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen oder zu viele Punkte können die Behörden an der Fahreignung zweifeln lassen. Die Folge ist dann nicht nur eine Geldstrafe und ein vorübergehendes Fahrverbot.
Stattdessen wird der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist verhängt. Diese beträgt mindestens sechs Monate, kann aber auch bis zu fünf Jahre andauern und in Ausnahmefällen sogar lebenslang gelten. Zusätzlich dazu wird ein MPU-Gutachten angeordnet. Erst wenn die Sperrfrist abgelaufen ist und die MPU die Fahreignung bestätigt hat, ist eine Neu- oder Wiedererteilung des Führerscheins möglich.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn du nach Möglichkeiten suchst, um deinen Führerschein schneller wiederzubekommen. Tatsächlich kannst du als Bürger mit der Staatsbürgerschaft eines EU-Landes legal und ohne MPU einen EU-Führerschein machen. Doch es gibt ein großes Aber. Denn damit dein neuer EU-Führerschein gültig ist, müssen in erster Linie folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Dein Hauptwohnsitz befindet sich für mindestens 185 Tage in dem EU-Land, in dem du den Führerschein machen willst.
- Deine Sperrfrist ist abgelaufen.
Was bedeutet Hauptwohnsitz?
Der Hauptwohnsitz ist der Ort, an dem du angemeldet bist und dich aus persönlichen und/oder beruflichen Gründen überwiegend aufhältst. In einigen EU-Ländern wie zum Beispiel Polen brauchst du als Nachweis für denen Wohnsitz einen gültigen Mietvertrag über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten.
Auch wenn du dich nicht permanent in dem anderen EU-Land aufhalten musst, musst du also zumindest für ein halbes Jahr deinen Wohnsitz dorthin verlegen. Doch das ist nicht nur aufwändig, sondern wirkt sich zum Beispiel auch auf deine Steuerpflicht aus.
Kommt bei der Behörde der Verdacht auf, dass du nur kurz im Ausland warst, um den Führerschein zu machen, aber dort deinen Hauptwohnsitz nicht gemeldet hattest, kann sie dir die Anerkennung des EU-Führerscheins verweigern. Damit ist der Führerschein ungültig und deine Bemühungen waren umsonst.
Es ist zwar zulässig, wenn du deinen Wohnsitz nur deshalb verlagert hattest, weil du den Führerschein machen wolltest. Nur muss dann eben die Mindestdauer von 185 Tagen erfüllt sein.
Was ist mit der Sperrfrist?
Solange deine Sperrfrist läuft, darfst du in Deutschland kein Fahrzeug führen. Das Verbot bezieht sich auf alle Führerscheinklassen, für die dir die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
Als Führer eines Fahrzeugs darfst du während der Sperrfrist also nicht am Verkehr auf deutschen Straßen teilnehmen. Daran ändert auch ein im Ausland erworbener EU-Führerschein nichts. Deshalb machst du dich strafbar, wenn du trotzdem fährst.
Vorsicht vor dubiosen Angeboten!
Im Internet wirst du immer wieder auf Angebote stoßen, die dir innerhalb kürzester Zeit einen EU-Führerschein ohne MPU versprechen. Dafür musst du weder eine Fahrprüfung machen noch deinen Wohnsitz verlagern oder andere Maßnahmen ergreifen, sondern einfach nur eine bestimmte Summe bezahlen. Falle nicht auf solche Angebote herein – sie sind in aller Regel unseriös!
Meistens sind die Führerscheine gefälscht oder die Anbieter arbeiten mit anderen illegalen Methoden. Im Ergebnis hast du viel Geld für nichts ausgeben und riskierst zudem noch ein Strafverfahren. Denn wenn du mit einem gefälschten oder ungültigen Führerschein unterwegs bist, musst du mit einer Anklage wegen Fahrens ohne gültige Fahrerlaubnis rechnen.
Weit schwerer wiegt außerdem, dass du dich der Urkundenfälschung schuldig machst. Urkundenfälschung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer hohen Geldstrafe geahndet wird. Dass vor diesem Hintergrund der Wiedererhalt einer Fahrerlaubnis in weite Ferne rückt, versteht sich von selbst.
Hinzu kommt, dass du schlecht etwas gegen einen unseriösen Anbieter unternehmen kannst. Schließlich wäre es nicht sehr clever, bei der Polizei Anzeige zu erstatten, weil du illegal einen EU-Führerschein gekauft hast, um schneller und MPU-frei wieder fahren zu können.
Fazit zum EU-Führerschein ohne MPU
Es ist einfacher und sicherer, eine MPU zu machen, statt den Weg über einen EU-Führerschein im Ausland zu gehen. Natürlich ist der MPU-Test nicht ohne. Aber mit einer guten Vorbereitung und der richtigen Einstellung ist ein positives Fahreignungsgutachten durchaus zu erreichen.
Absolvierst du einen Vorbereitungskurs oder nimmst du eine MPU Beratung in Anspruch, kannst du die Sperrfrist verkürzen. Und wenn du vorher online recherchierst und übst, weißt du, was dich bei der MPU erwartet. So kannst du dich auf die typischen Fragen beim psychologischen Gespräch vorbereiten und die geforderten Werte bei der medizinischen Untersuchung sicherstellen.
Sowohl die MPU als auch die Vorbereitung darauf kostet Zeit und Geld. Doch die Kosten und der Aufwand bei einem EU-Führerschein aus dem Ausland sind nicht geringer. Und du läufst Gefahr, dass dein ausländischer Führerschein am Ende gar nicht anerkannt wird.