So mancher Autofahrer unterschätzt, wie gefährlich aufkommende Müdigkeit oder gar Sekundenschlaf während einer Fahrt sind. Dabei kann Übermüdung schnell zur Ursache für sehr schwere Verkehrsunfälle werden. Deshalb ist sehr wichtig, dass du weißt, wie Schläfrigkeit das Fahren beeinflusst und die Signale, die dir dein Körper bei Müdigkeit sendet, erkennst und richtig darauf reagierst.
Im Jahr 2021 wurden rund 1.500 Verkehrsunfälle mit Personenschaden erfasst, bei denen Müdigkeit die Unfallursache war. Allerdings gehen Experten von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Denn Schläfrigkeit, Übermüdung oder Sekundenschlaf wird in aller Regel nur dann als Unfallursache festgehalten, wenn der Autofahrer bei der polizeilichen Befragung ausdrücklich entsprechende Angaben gemacht hat.
Ansonsten wird vermerkt, dass der Fahrer zum Beispiel mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war oder die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts zu Müdigkeit als Unfallursache zeichnen deshalb ein eher unvollständiges Bild.
Bei Unfällen, die auf Übermüdung oder Sekundenschlaf zurückgehen, passiert es häufig, dass der Fahrer bei teils hohem Tempo in den Gegenverkehr gerät oder von der Fahrbahn abkommt. Aus diesem Grund kommt es bei solchen Unfällen überproportional oft zu schweren und tödlichen Verletzungen.
Müde zu fahren, ist gefährlich!
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) führte im Jahr 2016 eine Umfrage unter 1.000 Autofahrern durch. Dabei räumten rund 26 Prozent der Befragten ein, dass sie schon mindestens einmal während einer Fahrt eingenickt waren. Ähnliche Ergebnisse zeigten auch Befragungen von Bus- und Lkw-Fahrern. Fast jeder vierte Busfahrer gab an, dass er bei einer Fahrt schon mal eingeschlafen ist. Bei den Lkw-Fahrern waren es rund 30 Prozent.
Wie sehr Müdigkeit beim Fahren als Risiko unterschätzt wird, zeigt sich daran, dass mehr als 40 Prozent der Befragten sicher waren, vorhersehen zu können, wann genau sie einnicken würden. Die Schlafforschung teilt diese Ansicht aber keineswegs. Ganz im Gegenteil weiß sie, dass müde Personen den Eintritt von Sekundenschlaf falsch beurteilen. Untersuchungen in einem Fahrsimulator, bei denen die Hirnströme aufgezeichnet und Videoaufnahmen gemacht wurden, ergaben, dass das Gehirn vieler Probanden schon im Sekundenschlaf-Modus war, ohne dass sie dies wahrgenommen hatten.
Welche Anzeichen warnen während der Fahrt vor aufkommender Müdigkeit?
Dass du müde wirst oder so übermüdet bist, dass es zum Sekundenschlaf kommt, geschieht nicht aus heiterem Himmel. Vielmehr warnen verschiedene Anzeichen davor, dass sich allmählich Schläfrigkeit einstellt. Allerdings deutet manch einer die Signale falsch oder ignoriert sie sogar absichtlich.
Doch wie signalisiert der Körper aufkommende Müdigkeit? Stellst du eines oder mehrere der folgenden Anzeichen fest, solltest du umgehend reagieren:
- Gähnen: Du musst ständig gähnen und es gelingt dir nicht, das Gähnen zu unterdrücken.
- Brennende Augen: Deine Augenlider werden immer schwerer und deine Augen, beginnen zu brennen. Du hast das Gefühl, dir dauernd die Augen reiben zu wollen.
- Unscharfer Blick: Du musst öfters blinzeln und es fällt dir immer schwerer, scharf zu sehen. Obwohl du auf die Straße starrst, scheint die Fahrbahn vor deinen Augen zu verschwimmen oder stetig enger zu werden.
- Konzentrationsprobleme: Du kannst dich zunehmend schlechter konzentrieren und schweifst mit deinen Gedanken ab. Durch die nachlassende Konzentration übersiehst du möglicherweise Verkehrsschilder oder verpasst deine Ausfahrt. Möglicherweise kannst du dich kaum noch an die zuletzt zurückgelegten Kilometer erinnern.
- Stimmungsschwankungen: Deine Laune kippt. Durch die Müdigkeit bist du auf einmal nervös, gereizt oder sogar aggressiv.
- Frieren: Plötzlich fröstelst du, obwohl sich an der Temperatur im Fahrzeug nichts geändert hat.
- Bewegungsdrang: Du wirst innerlich unruhig und hast das dringende Bedürfnis, dich zu bewegen.
- Veränderter Fahrstil: Wenn du müde bist, fährst du anders. Du kannst die Spur kaum halten, fährst in Schlangenlinien oder überfährst immer wieder den Seitenstreifen. Deine Geschwindigkeit ist mal schneller und mal langsamer, ohne dass du das veränderte Tempo bewusst willst oder kontrollieren kannst.
Welche Auswirkungen hat Müdigkeit aufs Fahren?
Welche Folgen es fürs Fahren hat, wenn du müde bist, ist eine Frage aus dem offiziellen Fragenkatalog für die theoretische Führerscheinprüfung. Sie hat die Nummer 1.1.01-110 und gehört zum Grundstoff. Die Antwort umfasst drei wesentliche Aspekte:
1. Müdigkeit reduziert die Reaktionsfähigkeit.
Bist du müde, reagierst du langsamer. Weil deine Reaktion verzögert ist und du deshalb länger brauchst, um angemessen zu reagieren, können im Straßenverkehr schnell gefährliche Situationen entstehen.
2. Müdigkeit schränkt die Wahrnehmung ein.
Bei Müdigkeit werden Sinnesreize nicht mehr in vollem Umfang aufgenommen, weitergeleitet und verarbeitet. Dies hat auch eine herabgesetzte Wahrnehmung zur Folge. Weil du das Geschehen im Straßenverkehr deshalb nur noch eingeschränkt erfasst, kannst du nicht schnell genug angemessen reagieren.
3. Müdigkeit verringert die Aufmerksamkeit.
Wenn du müde bist, fällt es dir schwerer, dich zu konzentrieren. Deine Aufmerksamkeitsspanne wird kürzer und statt dich auf eine Sache zu fokussieren, lässt sich du leichter von anderen Dingen ablenken. Gerade beim Fahren kann die nachlassende Aufmerksamkeit nicht nur zu deutlich längeren Reaktionszeiten führen, sondern auch Gefahrensituationen verursachen.
Was solltest du tun, wenn du während der Fahrt müde wirst?
Sobald sich die ersten Anzeichen von Müdigkeit zeigen, solltest du umgehend eine Pause einlegen. Steuere den nächsten Parkplatz an, steige aus und bewege dich an der frischen Luft. Der Sauerstoff in Verbindung mit Bewegung hilft, deine Aufmerksamkeit und dein Reaktionsvermögen wieder zu erhöhen.
Noch effektiver ist ein kurzes Nickerchen. Schon 15 bis 20 Minuten Schlaf reichen aus, damit du für eine Weile fit bist. Trinkst du vor dem Kurzschlaf einen starken Kaffee, kannst du die Wirkung zusätzlich erhöhen. Das liegt daran, dass Koffein erst nach ungefähr einer halben Stunde wirkt. Zu diesem Zeitpunkt hast du deinen Kurzschlaf aber bereits beendet. Deshalb kann dann das Koffein als zusätzlicher Wachmacher dienen.
Natürlich sind Pausen mit kurzen Schlafphasen kein Ersatz für den normalen, erholsamen Schlaf in der Nacht. Aber sie können ein gutes Hilfsmittel sein, wenn deine Fahrt weitergehen muss.
Im Unterschied dazu hilft laute Musik dir nicht weiter. Bist du müde, lässt deine Aufmerksamkeit sowieso schon nach. Die Musik lenkt dich in dieser Situation dann nur noch mehr ab und wird dadurch zur Zusatzbelastung.
Auch andere oft empfohlene Maßnahmen wie ein offenes Fenster, Kaugummi kauen, etwas essen, ein Energy-Drink oder ein starker Kaffee (ohne Kurzschlaf) bringen nichts. Sie wirken zwar vielleicht für einen kurzen Moment, ändern aber nichts an deiner Schläfrigkeit.
Am besten erst gar keine Schläfrigkeit entstehen lassen
Im Idealfall kannst du deine Fahrt so planen, dass du der Müdigkeit von Anfang an vorbeugst. Dazu gehört, dass du vor allem längere Fahrten gut ausgeruht antrittst.
Lege außerdem regelmäßig Pausen ein. Ein bewährter Rhythmus ist, wenn du ungefähr alle zwei bis zweieinhalb Stunden anhältst, dir kurz die Beine vertrittst und dich einmal ordentlich durchstreckst. Die Pausen kannst du auch gleich nutzen, um etwas zu trinken und zu essen. Du solltest zwar nichts zu dir nehmen, was dir schwer im Magen liegt. Aber keine oder zu wenig Flüssigkeit und Nahrung lässt deine Leistungsfähigkeit spürbar sinken.
Daneben solltest du dich an deiner inneren Uhr orientieren. Jeder Mensch hat Phasen, in denen er besonders leistungsfähig ist. Hast du zum Beispiel in den früheren Morgenstunden oder am späten Nachmittag besonders viel Energie, während du Mittags in ein Loch fällst, solltest du deine Fahrt nach Möglichkeit nicht in die Mittagszeit legen. Berücksichtige außerdem, ob und inwiefern dich Medikamente, die du einnehmen musst, müde machen.
Eine schöne und unterhaltsame Abwechslung, die deinen Geist wach hält, kann ein Hörbuch bieten. Gleiches gilt für einen Beifahrer, mit dem du Gespräche führen kannst. Ideal ist natürlich, wenn dein Beifahrer ein Stück fahren kann, falls du müde wirst und eine Ruhepause brauchst.
Droht bei Übermüdung am Steuer eine Strafe?
Nach 17 Stunden ohne Schlaf ist deine Reaktionsfähigkeit so herabgesetzt wie bei 0,5 Promille Alkohol im Blut. Bist du seit 22 Stunden auf den Beinen, reagierst du genauso verzögert, wie wenn du 1 Promille Alkohol im Blut hättest. Wärest du betrunken, würdest du dich wohl kaum hinters Lenkrad setzen. Genauso solltest du das nicht tun, wenn du übermüdet bist. Die Kombination aus aufkommender Müdigkeit und Alkohol kann dich übrigens noch schläfriger machen.
Baust du einen Unfall und stellt sich heraus, dass Übermüdung oder Sekundenschlaf die Ursache war, hast du unter Umständen gegen § 315c StGB (Strafgesetzbuch) verstoßen. Darin heißt es:
„Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er […] infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen […], und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird […] bestraft.“
Weil bei Müdigkeit beim Fahren in aller Regel davon auszugehen ist, dass du die Gefahr fahrlässig verursacht hast, droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Bei einem vorsätzlichen Handeln wäre die Strafe noch höher.
Ein Unfall wegen Übermüdung hat oft auch ein Fahrverbot oder den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge. Hat dir die Behörde die Fahrerlaubnis entzogen, kann sie außerdem eine MPU anordnen, bevor sie dir wieder einen Führerschein ausstellt. Die MPU soll dann klären, ob du körperlich, geistig und charakterlich geeignet bist, Kraftfahrzeuge sicher im Straßenverkehr zu führen.
Was ist die sogenannte Tagesschläfrigkeit?
Dass du müde wirst und verzögert reagierst, kann nicht nur bei nächtlichen oder langen Autofahrten zum Problem werden. Auch die sogenannte Tagesschläfrigkeit kann einen Sekundenschlaf hervorrufen.
Ursachen für die Tagesschläfrigkeit können Alkohol, Drogen und einige Medikamente sein. Außerdem sind Schlafstörungen ein möglicher Auslöser. Und Schlafstörungen sind keinesfalls selten. Experten schätzen, dass rund jeder Zehnte im erwerbsfähigen Alter unter teils erheblichen Schlafstörungen leidet.
Schlafstörungen, die nicht erkannt und behandelt werden oder bei denen eine Therapie nicht anschlägt, können zu einer schweren Tagesschläfrigkeit führen. Sie wiederum schließt die Fahreignung gemäß der Begutachtungsrichtlinien aus. Schlimmstenfalls wird dann die Fahrerlaubnis entzogen.
Die Bewertung der Fahreignung bei Tagesschläfrigkeit oder nach einem Unfall, der durch Übermüdung oder Sekundenschlaf ausgelöst wurde, muss aber immer unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall erfolgen. Dazu kann ein fachärztliches Gutachten oder ein medizinisch-psychologisches Gutachten notwendig sein.
Bist du ständig müde und kannst dir nicht erklären, woher diese Schläfrigkeit kommt, solltest du dich von einem Arzt durchchecken lassen. Denn die Müdigkeit kann verschiedene Ursachen haben, die möglicherweise behandelt werden müssen.
Welche technischen Hilfsmittel sollen eingreifen, wenn der Fahrer müde wird?
Wie gefährlich Müdigkeit, Übermüdung und Sekundenschlaf am Steuer sind, wissen auch die Autobauer. Aus diesem Grund können viele Neuwagen mit einem sogenannten Müdigkeitswarner ausgestattet werden.
Die Basis für einen Müdigkeitswarner ist eine Software, die im Hintergrund arbeitet. Sie misst und wertet die Lenkbewegungen, das Halten der Spur und teilweise auch die Bewegungen der Augen aus. Intelligente Systeme berücksichtigen bei ihren Berechnungen auch die Dauer der Fahrt, die Tageszeit und das Blinken. Driften die Soll- und die Istwerte zu weit auseinander, warnt das System den Autofahrer erst sanft und danach zunehmend eindringlicher.
Der Müdigkeitswarner ist also ein Assistent, der den Fahrer beobachtet und zu einer Pause auffordert, wenn er feststellt, dass der Fahrer müde wird. Die Aufforderung zur Pause erfolgt zum Beispiel dadurch, dass eine Kaffeetasse als Symbol aufleuchtet.
Tatsächlich gibt es inzwischen sogar eine EU-Vorschrift, nach der künftig alle neuen Pkws, Lkws und Busse mit einem Aufmerksamkeits- und Müdigkeitswarner ausgerüstet sein müssen. Die Umsetzung wird gestaffelt bis 2024 verpflichtend.
Weitere technische Hilfsmittel, die Unfälle durch Müdigkeit und Sekundenschlaf verhindern können, sind Notbrems- und Spurhalteassistenten. Sie können zum Beispiel eingreifen, wenn die Gefahr besteht, dass du auf ein Stauende auffährst oder von deiner Fahrbahn abkommst. Auch wenn die Assistenten dich nicht wach halten können, so können sie wenigstens dazu beitragen, dass es nicht zu einem schweren Unfall kommt.
Die Straßentechnik kennt den sogenannten Rüttelstreifen. Dabei handelt es sich um einen Streifen, der in den rechten Fahrbahnrand eingefräst ist. Überfährst du den Streifen, kommt es zu einem Rütteln, das dich aufschreckt. Ein Pilotprojekt hat zwar die Wirksamkeit bestätigt.
Alle deutschen Autobahnen mit Rüttelstreifen auszurüsten, würde aber Unsummen kosten. Deutlich preiswerter und ebenfalls wirksam sind Straßenmarkierungen, die beim Überfahren laute Reifengeräusche verursachen.
Fazit
Müdigkeit beim Fahren beeinträchtigt deine Reaktionsfähigkeit, deine Wahrnehmung und deine Aufmerksamkeit. Dadurch können sehr gefährliche Situationen entstehen. Doch dein Körper warnt dich durch verschiedene Signale vor der aufkommenden Schläfrigkeit. Umso wichtiger ist, dass du die Anzeichen erkennst und umgehend darauf reagierst. Mache eine Pause und schlafe am besten ein paar Minuten. Fährst du müde weiter, bringst du dich und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr.